Пустыня в русской словесности (Семантика пустыни и её трансформационные модели)
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Data
2010Autor
Беленчикова (Belentschikow), Ренате (Renate)
Беленчиков (Belentschikow), Валентин (Walentin)
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Pokaż pełny rekordStreszczenie
Der mehrdeutige Topos der „Wüste“ als Biom, Symbol, Metapher und Motiv in der russischen
Literatur und Wissenschaft ist unseres Wissens bisher nicht erforscht worden, obgleich das
Wort pustyn’/pustynja seit der Christianisierung Russlands die russische schriftliche und
mündliche Literatur durchzieht. Beim Aufsatz handelt es sich um den Versuch einer lexikalischkulturwissenschaftlichen
Analyse des Begriffs „pustynja” unter diachronem und synchronem
Aspekt. Anhand von Wörterbüchern, die sich auf Schriftdenkmäler des 10./11. Jh. stützen, wird
zunächst der etymologische Aspekt des Wortes pustyn’/pustynja als altkirchenslavische
Lehnübersetzung aus dem Altgriechischen aufgezeigt. Die Verwendung des altrussischen Wortes
im „Igorlied“ lässt auf semantische Besonderheiten gegenüber der Bedeutung des griechischen
Wortes in den biblischen Texten schließen.
Des Weiteren werden Wörterbücher des Russischen (bzw. des Russisch-Kirchenslavischen)
aus dem 18. und 19. Jh. (vom 18. Jh. bis in die Gegenwart) ausgewertet, in denen Bedeutungen des
Wortes pustynja und seiner Ableitungen fixiert sind.
Wie gezeigt wird, verbreitete sich die Deutung der „Wüste“ („pustynja“) als „Landschaft
ohne Vegetation“ mit dem Anfang der Christianisierung Russlands und dem russischen Pilgertum
ins Heilige Land im 11. bis 14. Jh. Die Beschreibungen der Wüsten um Jerusalem durch russische
Pilger beeinflussten die Festigung des Wortes in seiner biblischen Bedeutung wie auch in seinem
Symbolgehalt. Eine wichtige Rolle spielten dabei konkrete Texte, die für das russische Identitätsbewusstsein
bedeutsam waren, vor allem die „Erzählung von Warlaam und Joseph“ („Povest’
o Vaarlame i Iosaafe“), deren Episoden in Russland bis ins 20. Jh. hinein populär waren.
Der Aufsatz untersucht die Verwendung des Wortes pustynja (und seine verschiedenen
aktuellen Bedeutungen) in der mündlichen Folklore wie auch in der weltlichen Literatur, d.h. in
Texten, in denen sich die zwei Kulturen in Russland manifestieren. Besonders eingegangen wird
auf das Motiv der Begegnung Josephs mit der Wüste, das auf die erwähnte Erzählung zurückgeht
und in der russischen geistlichen Lyrik, vor allem bei den Altgläubigen und Sektierern, häufig
aufgegriffen wurde.
Пустыня в русской словесности...
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Der mehrdeutige Gebrauch des Wortes pustynja in der weltlichen russischen Literatur geht
auf die Dichtung von M. Lomonossov und dort auch auf deutsche literarische Einflüsse zurück.
Mit seiner Verwendung in verschiedenen Kontexten entstand die Grundlage für die spätere
Erweiterung seiner Semantik und seiner Symbolik bei Deržavin und Glinka.
Seine umfassendste semantische Erweiterung erfuhr der Topos in der russischen Literatur des
19. Jh., auch dies nicht unbeeinflusst von deutschen Philosophen, vor allem A. Schelling. Die
Vielfalt dieser Bedeutungen und Bedeutungsnuancen wird an Beispielen u. a. aus der Lyrik von
A. Puškin, M. Lermontov, F. Tjutčev und Dichtern der Dekabristenbewegung u.a. gezeigt.
In der Mitte des 19. Jh. wendeten sich russische Gelehrte, vor allem I. Kireevskij, der
geistlichen Lyrik zu. Diese bis dahin kaum bekannte „andere” Kultur in der russischen
Gesellschaft brachte neue Bedeutungen des Wortes pustynja in die weltliche Literatur ein, u.a. die
der Behausung des Einsiedlers („obitel’ otšel’nika“), und führte zu deren neuer religiöser
Interpretation und Funktion.
Besonders komplex ist die Deutung „pustynja“ im Schaffen der russischen Symbolisten.
Belegt wird diese These anhand des Motivs der Wüste in der Lyrik von Vl. Solov’ev, K. Bal’mont,
V. Brjusov und A. Blok. Parallel zu den Symbolisten erweiterte auch der Realist I. Bunin in
seinem Schaffen die Semantik der „Wüste“. Schließlich wurde pustynja auch ein Motiv in den
Nachahmungen geistlicher Poesie bei M. Kuz’min und N. Kljuev.
Mit dem Aufsatz soll der kontextuelle Gebrauch des Wortes pustynja und seine begriffliche
Entwicklung in der russischen Literatur aufgezeigt und damit ein slavistischer Beitrag zur
Konzeption gesamteuropäischer Untersuchungen des Topos „Wüste“ in der europäischen Kultur
geleistet werden; es wird nicht der Anspruch auf eine erschöpfende Analyse dieses umfassenden
Problems erhoben.
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